Motor City, so nennen die Petrolheads am Main gerne ihr Rüsselsheim. Wohl in Anlehnung an die früheren Besitzverhältnisse, als General Motors noch Herr im Haus war und seine Konzernzentrale in Detroit stationiert hatte. Damit ist es vorbei, auch das Altwerk im maroden Herzen der Stadt ist Geschichte und hat trotz des denkmalgeschützten Haupteingangstors mit Opel nunmehr herzlich wenig zu tun. Und dennoch zeugen Baudenkmäler von den einstigen Erfolgen und Höhepunkten des wirtschaftlichen und sportlichen Treibens in der Vergangenheit. Einen kurzen Spaziergang von der Stadtgrenze entfernt schlummert im Waldstück südlich der A60 verfallen und vergessen eine Arena, die gerade ihren 100. Geburtstag feiert. Im Oktober 1920 weihte Opel nach einer knapp zweijährigen Bauzeit die werkseigene „Einfahr- und Testbahn“ ein, die in der folgenden Zeit zehntausende Besucher und hochkarätige Rivalen der Rennbahn anzog.
Steilwandkurven nach amerikanischem Vorbild
Bis zu 50.000 Fans pilgerten zur Strecke
Ursprünglich wollte Opel hier die eigenen Produkte ausprobieren. Die Marke hatte sich dem Motorsport verschrieben, klangvolle Namen wie Rudolf Caracciola oder Carl Jörns lockten die Zuschauer an die Rennbahn. Gerne wurde die Strecke auch zu Repräsentationszwecken genutzt. Vom Volksmobil 4/12 etwa, das wegen seiner ausschließlich grasgrünen Lackierung als „Laubfrosch“ in die Geschichte eingegangen ist, stellten die Rüsselsheimer eine ganze Tagesproduktion zu Werbezwecken auf das ausgedehnte Rund. Große Tribünen verschafften den Besuchern einen besseren Überblick, bis zu 50.000 Autofans fanden sich auf den Rängen und an der Strecke ein, die Renntage hatten Volkfest-Charakter. Was für das damals gerade mal 8000 Einwohner zählende Rüsselsheim zu einem erheblichen Wirtschaftsfaktor wurde.
Raketen-Fritz auf Rekordfahrt
Auch der Erfindergeist der Opel-Brüder, die fünf Söhne des 1895 verstorbenen Unternehmensgründers Adam und deren Enkel, bescherte der Rennstrecke auf der grünen Wiese erheblichen Ruhm. Der ungestüme Fritz von Opel etwa ließ auf ihr zum ersten Mal das von ihm ersonnene Raketenauto „Rak 1“ in acht Sekunden von 0 auf 100 km/h donnern. Für die damalige Zeit eine unerhörte Beschleunigung, die die „menschliche Physis an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit brachte“, wie es zeitgenössische Quellen festhielten. Am Lenkrad saß zunächst der Rennfahrer Kurt Volkhart, den Geschwindigkeitsrekord von 250 km/h stellte kurz darauf Fritz von Opel selbst auf der Avus in Berlin auf.
Rennbahn weicht Landstraße
Das Tempo war es schließlich auch, das der Opel-Bahn ein Ende bereitete. Zu schnell wurden Rennwagen schneller und das Oval konnte trotz der Kurvenüberhöhung die steigenden Geschwindigkeiten nicht mehr ohne erhebliche Sicherheitsbedenken verkraften. Die Zahl der Veranstaltungen nahm ab, die Strecke geriet allmählich in Vergessenheit. Das Areal, auf dem sie errichtet wurde, gehörte nicht zum Eigentum von Opel, es war von den Mainzer Wasserwerken am Schönauer Hof gepachtet. Als dieser Pachtvertrag 1949 auslief, wurde er nicht erneuert. Die Wasserwerke hatten seit je her Bedenken wegen der möglichen Bodenverunreinigung durch den Motorsport und die Besucher, und bei Opel gab es nach dem Krieg andere Sorgen als den Betrieb einer Rennstrecke. Ihre ursprüngliche Architektur verlor diese ohnehin als die Tribünen abgerissen wurden und dann in den 1970er Jahren die Landestraße L 3012 erneuert wurde und ihr Verlauf die Flächen der Zielgeraden und des Fahrerlagers überdeckte.
Heute Teil des Regionalparks mit Aussichtsplattform